Ep. 69 - Fall der Woche
- norbertaeppli
- 25. Sept. 2022
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 25. Sept. 2022
Heute mal ein spannender Fall von letztem Donnerstag Abend im Spätdienst mit sehr viel Fleisch am Knochen.
Älterer Mann im AWR nach Hemikolektomie re und Cholezystektomie. Ging soweit sehr unauffällig bis auf ein wenig Nausea und Erbrechen. Als er praktisch verlegungsfertig war, trat plötzliche Hypotonie (70/40mmHg) und auf mit Verstärkung der Nausea und einer Hf von 100-120/min. Ansonsten keine Symptome (Kein Schwindel, keine AP, keine Dyspnoe, Neurologie intakt, keine Bauchschmerzen, Bauch weich).
Folgende Überlegungen unsererseits schwirrten im Raum während die IPS-Verlegung organisiert wurde:
Hypotonie nach solch einer OP ist bis zum Beweis zum Gegenteil eine Blutung. Jedoch folgende Aspekte liessen uns ein bisschen zweifeln.
schlagartiger Beginn der Hypotonie
Bauch absolut weich und asymptomatisch
Aufgrund des plötzlichen Beginns dachten wir u.a. auch an eine LE oder einen Myokardinfarkt.
Auf der IPS persistierende Hypotonie und stetig steigender NA-Bedarf. Der Chirurg wurde hinzugezogen, welcher aufgrund den oben genannten Punkte und nicht viel sichtbarer freier Flüssigkeit im FAST eher nicht von einer Blutung ausging. Ein CT Thorax/Abdomen wurde angemeldet, der Patient aber zu dem Zeitpunkt fast zu instabil für ein CT. Die Überlegung trotzdem direkt ohne Bildgebung in den OP zu gehen wurde offen diskutiert. Schlussendlich konnte der Patient einigermassen stabilisiert werden (mit 60/30 mmHg war der Patient neurologisch plusminus adäquat) und wir gingen ins CT. Patient hatte zu diesem Zeitpunkt 3 Vf und 1 AK.
Im CT dann, oh Wunder, viel freie Flüssigkeit perihepatisch. Vom CT direkt in den OP mit Einleitung direkt im Saal.
Eine Narkoseeinleitung mit solcher Hämodynamik entspricht ziemlich genau Scott Weingarts H von den HOP-Killers (Hypotension/Hypovolämie als Faktor des physiologisch schwierigen Atemwegs).
Einleitung erfolgte mit viel Volumen davor und mit relativ wenig Sedativa (mehrheitlich Ketamin) und viel Relaxans sowie reichlich Katecholamine um eine einigermassen stabile Einleitung zu haben.
Die Chirurgen öffneten den Bauch (viel Blut und Koagel kommen zum Vorschein) und wir konnten uns und voll und ganz dem Massentransfusionsprotokoll widmen (Produkte schon im vornhinein bestellt).
Sehr vereinfacht formuliert schütteten wir Folgendes hinein während die Chirurgen die Blutung im Verlauf stillen konnten (ca. 2.5l BV):
4 ECs/4 FFPs (tiefstes Hb 56g/l)
Tranexam 2g, Fibrinogen 2g
1 Amp. Calcium und
viel Kristalloide und 1 Voluven
Gerinnung war klinisch und im Labor plusminus ok, tiefste Temperatur war 34.9°C
Patient ging postop intubiert und hämodynamisch stabil auf die IPS.
Insgesamt sehr spannende aber auch fordernde Situation, welche schlussendlich glücklicherweise mit genug Personal unsererseits (1 Pflege, 2 AA,1 OA, 1 LA) trotz Dienstzeiten ganz gut gemanagt werden konnte.
Bei diesem Fall sind viele doch sehr zentrale Themen vorhanden, welche wir zum Teil in vergangenen Episoden bereits angesprochen haben:
Probleme im AWR (z.B. Schmerzen, Dyspnoe, BD oder Hf zu hoch/zu tief)
Einleitung eines instabilen Patienten -> Episode 58 und Episode 6
Massentransfusion -> Episode 24
Für diejenigen unter euch, welche langfristig Anästhesie machen werden, garantiere ich euch , dass ihr ein solcher Fall früher oder später ebenfalls antreffen werden (und nicht nur 1x). Für mich war es wieder einmal eine Lehre bei einer postop Hypotonie noch früher und forcierter die Nachblutung zu suchen, auch wenn vordergründig gewisse Dinge nicht ganz mit dieser Arbeitsdiagnose übereingestimmt haben.
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