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Ep. 55 - Intensivmedizinsche Massnahmen

Hallo zusammen

Bei der SAMW gibt es ein umfassendes medizinethisches Empfehlungsschreiben zu IPS-Massnahmen, welches sich sehr lohnt durchzulesen.

Auch hier habe ich versucht die wichtigsten Passagen herauszufiltern:


Was für die Medizin insgesamt gilt, trifft auch für die Intensivmedizin zu: Die 4 medizin-ethischen Grundsätze:

  • «Gutes tun» hat in der Intensivmedizin die konkrete Gestalt der Rettung und Erhaltung von Leben. Insbesondere in Notfallsituationen kommt diesem Prinzip vorrangige Bedeutung zu. In solchen Situationen geht es zunächst darum, Leben zu erhalten bzw. lebensbedrohliche Zustände zu überbrücken, um Zeit für weitere Abklärungen zu gewinnen.

  • Nichtschaden: Ob eine intensivmedizinische Massnahme zur Lebenserhaltung dem Wohl des Patienten dient oder ihm Schaden zufügt, bemisst sich zum einen an der Prognose des künftigen Gesundheitszustands des Patienten, zum anderen an dessen eigenen Vorstellungen davon, unter welchen Bedingungen er (noch) leben bzw. am Leben erhalten werden will.

  • Letzteres bedeutet, dass der Respekt vor der Autonomie des Patienten leitend für das intensivmedizinische Handeln sein muss. Im konkreten Fall kann gerade dieses Prinzip – aufgrund der Schwierigkeiten, den Patientenwillen bezüglich bestimmter Prognosen zu ermitteln – erhebliche Probleme aufwerfen, die durch den oft bestehenden grossen Zeit- und Entscheidungsdruck noch verschärft werden.

  • Schliesslich steht die Intensivmedizin ebenso wie andere Sparten der Medizin unter dem Gebot der Gerechtigkeit in Anbetracht knapper medizinischer Ressourcen: Bei knappen oder fehlenden Ressourcen müssen für die Triage von Patienten, die auf einer Intensivstation behandelt werden, nicht nur Fragen nach der Sinnhaftigkeit dieser Behandlung, sondern auch solche nach Gerechtigkeit gegenüber Patienten, die nicht behandelt werden, beantwortet werden.

Ziele der intensivmedizinischen Therapie

Intensivmedizinische Massnahmen dienen der Überbrückung eines akut lebensbedrohlichen Zustands. Sie zielen darauf, das Grundleiden eines Patienten kausal zu therapieren bzw. eine Spontanheilung zu ermöglichen und ihm die Rückkehr in ein angemessenes Lebensumfeld zu ermöglichen. Lebenserhaltende Therapien verlieren ihren Sinn, wenn sich dieses Ziel nach medizinischem Ermessen als unerreichbar herausstellt. In solchen Situationen sind der Einbezug und der Ausbau von Palliative Care notwendig.


Grundbegriffe

  • Prognose: Für die Prognose spielen die Überlebenschancen, die Erholung von der Erkrankung sowie die langfristig zu erwartende Lebensqualität eine zentrale Rolle. Die Prognose im Einzelfall kann jedoch nur aus der Integration von Einzelfaktoren abgeschätzt werden. Prognoseabschätzungen durch Anwendung von Scorings haben zudem nur Aussagekraft für Patientengruppen, nicht aber für Einzelpersonen.

  • Lebensqualität: Für die Einschätzung der Lebensqualität sind einerseits die zu erwartende Funktionsfähigkeit, andererseits das subjektive Erleben des Patienten relevant.

  • Wirkungslosigkeit und Aussichtslosigkeit: Die Wirkungslosigkeit und die Aussichtslosigkeit einer Therapie sind voneinander abzugrenzen. Die Wirkungslosigkeit zeigt sich in einer Verschlechterung des Zustands des Patienten unter voller Intensivtherapie. Aussichtslos ist eine Therapie dann, wenn keine begründete Aussicht besteht, dass der Patient in ein angemessenes Lebensumfeld zurückkehren kann.

Umfang der Intensivtherapie

  • zeitlich befristete Intensivtherapie: Die zeitlich befristete Intensivtherapie wird bei ungünstiger oder unklarer Langzeitprognose eingesetzt; dabei wird der Umfang der Intensivmassnahmen nicht beschränkt.

  • Inhaltlich limitierte Intensivtherapie: Eine inhaltlich limitierte Intensivtherapie kommt nur in besonderen Fällen zur Anwendung, beispielsweise wenn eine ungünstige mittel- und langfristige Prognose angenommen werden muss.

Intensivmedizinische Massnahmen unter besonderen Umständen

  • Präklinik: In der präklinischen Notfallsituation besteht die grundsätzliche Verpflichtung, lebenserhaltende Massnahmen so rasch wie möglich einzuleiten, sofern keine klaren Hinweise vorliegen, die an der Erwünschtheit oder Sinnhaftigkeit solcher Massnahmen zweifeln lassen. Entscheidungen in der Rettungsmedizin sind in der Regel schwierig, wenn sie, was häufig ist, mit unzureichenden oder fehlenden Informationen über den Patienten, unter Zeitdruck und gelegentlich schwierigen Bedingungen gefällt werden müssen. Die Tatsache, dass die präklinischen Massnahmen die weitere Behandlung präjudizieren können (z.B. die Intubation, welche eine nachfolgende Beatmung bewirkt), belastet die Entscheidungsfindung zusätzlich. Die Bandbreite der medizinischen Entscheidungsbefugnisse ist jedoch für die nichtärztlichen Mitarbeiter der Rettungsdienste eingeschränkt und rechtlich betrachtet schmäler als für die Notärzte. Aus diesen Gründen wird in der Regel bei einem Notfall ausserhalb des Spitals eine Behandlung der Symptome begonnen und die Indikationsstellung für die Intensivtherapie den nachfolgenden Spitalärzten übergeben. Das heisst, dass grundsätzlich die Verpflichtung besteht, lebenserhaltende Massnahmen so rasch wie möglich einzuleiten. Parallel dazu sind aber Hinweise zu berücksichtigen, die an der Erwünschtheit oder Sinnhaftigkeit solcher Massnahmen zweifeln lassen. Gestützt auf diese kann unter Umständen bereits in der präklinischen Notfallsituation entschieden werden, auf intensivmedizinische Massnahmen, insbesondere auf invasive oder medikamentöse Therapien, oder auf den Transport ins Spital zu verzichten. Massnahmen sind nicht durchzuführen, wenn der Patient diese nicht wünscht oder wenn die Prognose so ungünstig ist, dass sie dem Patienten nur schaden können. Der Wille des Patienten lässt sich aus einer allfällig vorhandenen Patientenverfügung ableiten. Aber auch die Äusserungen von Angehörigen können wichtige Hinweise geben, insbesondere wenn sich zeigt, dass der Notruf eher den Wunsch nach Unterstützung bei der Sterbebegleitung als nach der Verhinderung des Todes ausgedrückt hat. Sofern es die Zeit erlaubt, muss die vertretungsberechtigte Person einbezogen werden.

  • Notfall: In der Notfallsituation handelt der Arzt nach dem mutmasslichen Willen und den Interessen des urteilsunfähigen Patienten. Er ist primär der Lebenserhaltung verpflichtet. Die auf der Notfallstation eingeleiteten Massnahmen dürfen aber nicht als Präjudiz für nachfolgende Entscheidungen angesehen werden.

  • Nach einem elektiven Eingriff: Kommt es bei einem elektiven Eingriff zu einer Komplikation mit Bedrohung oder Störung der Vitalfunktionen, werden alle sinnvollen intensivmedizinischen Massnahmen eingesetzt. In einer aussichtslosen Situation kann allerdings die Tatsache, dass diese iatrogene Ursachen hat, intensivmedizinische Massnahmen nicht rechtfertigen.

  • Suizidversuch: Bei Patienten nach einem Suizidversuch muss abgeklärt werden, ob der Suizidversuch Ausdruck einer psychischen Störung oder eines akuten Ausnahmezustands ist. Wenn es sich um einen wiederholten Suizidversuch handelt oder wenn als Folge davon dauerhafte Beeinträchtigungen zu erwarten sind, muss dies bei der prognostischen Einschätzung berücksichtigt werden.

Es werden noch weitere Themen im Dokument behandlet, welche ich nicht hier aufgelistet habe wie zum Beispiel:

  • Kinder/Jugendliche

  • Betagte und geistig behinderte Patienten

  • Palliative Care / Organspende

  • Umgang mit Angehörigen

  • Entscheidungsprozesse / Ressourcenknappheit

  • Konfliktsituationen

Deshalb unbedingt Dokument lesen ;-)


lg norbert

 
 
 

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